DIE VIELEN


Das Schauspielhaus engagiert sich für DIE VIELEN, das Aktionsbündnis für Vielfalt und Freiheit der Kunst. Über 700 Institutionen und Privatpersonen aus Kunst und Kultur haben die österreichische Erklärung der VIELEN unterzeichnet.
 


Rede von Felix Rotkehl, Ko-Leitung Offenes^Haus, zur Kundgebung „Kunst und Kultur und viele offene Fragen: Perspektiven für die nächste Regierung“ am 20.02.2025 am Ballhausplatz in Wien. Die Kundgebung wurde organisiert vom Do.3-Kollektiv.
 
Guten Abend!

Danke für die Möglichkeit, hier zu sprechen! Ich heiße Felix Rotkehl, bin in Ostdeutschland aufgewachsen und lebe seit 2019 in Wien. Und ich bin Kulturvermittler am Schauspielhaus. Meine Aufgabe sehe ich darin, Menschen Möglichkeiten zur künstlerischen Teilhabe zu bieten. Aber viel mehr noch: Zum Mitmachen, zum aktiven Mitgestalten. Zum Teil-Sein!

Mein eigener Zugang zu Kunst und Theater, wäre nicht denkbar gewesen ohne die Bürger:innenbühne Dresden – diese bahnbrechende Idee, Menschen aus allen gesellschaftlichen Gruppen und Generationen mitten hinein zu holen ins Staatstheater, in die Institution. Sie sichtbar zu machen. Und ihnen durch diese Sichtbarkeit auch ihre Selbstwirksamkeit zu vermitteln. Meine Berufspraxis ist bis heute geprägt von dieser Erfahrung. Die Sphären des gesellschaftlichen Lebens und der Kultur eben nicht zu trennen. Nicht die Gesellschaft zu spalten in die „Kulturverliebten“ auf der einen Seite und die „breite Masse“ auf der anderen.

Denn Kulturarbeit ist die Aushandlung unserer Werte, unsere Wertschätzung füreinander, auch unsere Neugier auf das Unbekannte.
Diese Arbeit an der offenen Gesellschaft ist bedroht, wenn die Kultur nicht frei ist.

Denn eines wissen wir: Der Geist der Leitkultur, den die FPÖ und die ÖVP salonfähig gemacht hat, ist nicht mit dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen verschwunden. Dieser Geist, der „das Normale“ beschwört und gegen das vermeintlich „Andere“ positioniert, der sich ein homogenes Österreich zurücksehnt, das es so nie gegeben hat: dieser Geist ist in die Köpfe geträufelt.

Was bedeutet das für uns, die wir in unseren Theatern, Museen, Vereinen, Gruppen Räume der Offenheit, der Vielfalt und der kritischen Auseinandersetzung schaffen? Können wir uns darauf verlassen, dass die nächste Regierung die Freiheit der Kunst unangetastet lässt? Nein. Wir müssen handeln, und zwar jetzt.

Über die gescheiterten blau-schwarzen Koalitionsverhandlung dürfen wir nicht vergessen, dass die FPÖ bereits Teil von fünf Landesregierungen ist. Seit dem 18. Dezember liegt die Politik der Steiermark in den Händen des FPÖ-Landeshauptmanns Kunasek. Dort wurde das Kulturbudget aufgeteilt. Es gibt nun zwei Töpfe: Es gibt „Volkskultur“ und es gibt „Hochkultur“ – ein fragwürdiges Schubladensystem. Und das Ergebnis? Es wird gekürzt. Dem Dramatiker:innenfestival Graz wurden bereits 57% der finanziellen Mittel gestrichen.

Wer heute schweigt, dem wird morgen die Bühne genommen.
Denn dass Kunst und Kultur die Gesellschaft prägen, ist eben nicht nur ein linker Wunschtraum. Nein, die Rechtskonservativen und Rechtsextremen sehen es ganz genau so! Wenn wir nicht aufpassen, wird Kultur zu einem Instrument in den Händen jener, die sie missbrauchen wollen.

Künstlerische Freiheit hat Verfassungsrang in Österreich. Das bedeutet nicht nur das Recht auf freien Ausdruck, sondern auch das Recht auf kulturelle Teilhabe. Wer heute die Freiheit der Kunst verteidigt, verteidigt die Rechte aller Menschen. Die Kunstfreiheit anzutasten, sie ihrer Mittel zu berauben, bedeutet, grundlegende Menschenrechte anzugreifen.

Doch wir können etwas tun. Wir können handeln:

Kulturinstitutionen, große wie kleine, Kulturarbeiter:innen müssen sich klar positionieren. Wir brauchen entschlossene Solidarität. Wir brauchen Schulterschlüsse über Wien hinaus zu unseren Kolleg:innen in die Bundesländer.

Kunst und Kultur findet nicht nur in geschlossenen Räumen statt. Sie lebt auf den Straßen, auf den Plätzen, in den Parks, in den Opernhäusern und den Stadien. Wir sind kein Elfenbeinturm! Die Kunst, das sind die Geschichten, die diese Gesellschaft zusammenhalten. Das sind die Vielen: alle, die erleben können, dass Kultur von allen für alle gemacht wird, so wie ich es damals an der Bürger:innenbühne Dresden erlebt habe. Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen auseinanderdividiert werden. Dass Vielfalt und Offenheit diffamiert und dass Kulturarbeiter:innen als traumtänzerische Gutmenschen abgetan werden.

Ich spreche hier auch in Vertretung von DIE VIELEN, einem politischen Zusammenschluss von Personen und Institutionen aus Kunst und Kultur. Wir finden: Wer heute die Kunst als neutral erklärt, macht sie angreifbar. Unser Ziel ist es, die Kultur in ihrer ganzen Vielfalt zu verteidigen, ihr eine Stimme zu geben und uns gegen die Kräfte zu wehren, die sie verengen und instrumentalisieren wollen. Dafür steht die goldene Rettungsdecke, die als sichtbares Zeichen die Kultur retten soll vor den Händen derer, die sie verengen wollen. Ganz gleich ob in den Institutionen, ob in den Kommunen, in den Bundesländern oder im Bund.
Schaut zu euren Kolleg:innen! Schaut euch um in den Institutionen, in den Vereinen und Gruppen! Schaut in die Bundesländer! Ich garantiere euch: Wir sind Viele!

Kunst und Kultur haben die Aufgabe, eine Zukunft zu erzählen – eine Zukunft der Vielfalt, der Freiheit und der radikalen Offenheit. Sie liegt in unseren Händen. Und wir lassen sie uns nicht nehmen!

Vielen Dank!“